Frieden in Europa wird es nicht gegen, sondern nur mit Russland geben
Im Dezember dieses Jahres jährt sich das Ende der Sowjetunion zum 30. Mal. Eigentlich Zeit, einen differenzierten Blick auf europäische Geschichte und die daraus zu ziehenden Lehren für die Gegenwart zu werfen. Leider muss ich jedoch angesichts der bisherigen Debatte feststellen, dass es einigen Kolleg:innen hier nicht um Differenzierung geht, sondern um einseitige Parteinahme.
Wieder einmal wird Geschichte instrumentalisiert, um einerseits das Streben nach einer von Kapitalismus und Faschismus befreiten Gesellschaft zu diskreditieren und andererseits die Konfrontation mit dem heutigen Russland weiter anzuheizen.
Ja, es gab in der Sowjetunion – erwachsen aus dem Stalinismus – die unbedingte Dominanz einer Staats- und Parteibürokratie, die sich von den Idealen der Arbeiter:innenbewegung entfernt hatte, jede Opposition unterdrückte und Millionen Menschen verfolgte. Deshalb jedoch eine Bewegung, die die Befreiung des Menschen von Ausbeutung und Unterdrückung in das Zentrum ihrer Politik stellte und stellt, mit dem Faschismus gleichzusetzen, der auf Vernichtung, Ungleichheit und Unfreiheit ausgerichtet war und ist, ist schlichtweg absurd.
Wer von der Geschichte der Sowjetunion redet, darf von der Niederwerfung des europäischen Faschismus durch eben diese Sowjetunion nicht schweigen. Und darf erst recht nicht schweigen von dem enormen Blutzoll, den 27 Millionen Menschenleben, die der 2. Weltkrieg die vielen Völker der Sowjetunion gekostet hat.
Wer von europäischer Geschichte spricht, darf auch vom Kalten Krieg nicht schweigen.
Umso unverständlicher ist es heute, dass diese Fehler selbst nach Auflösung des Warschauer Paktes wiederholt werden. Die Ostausdehnung der NATO bis an die Westgrenze Russlands – obwohl vom damaligen deutschen Außenminister Hans-Dietrich Genscher ausgeschlossen – hat die Sicherheitsinteressen Russlands verletzt. Eine weitere Ausdehnung kann in eine Katastrophe münden.
Das ständige Säbelrasseln der Krieger im NATO-Hauptquartier in Brüssel, die wiederholten Sanktionsandrohungen der Kommission und des Rates verschärfen die Konfrontation mit Russland.
Frieden in Europa wird es nicht gegen, sondern nur mit Russland geben. So berechtigt die Kritik an der Politik der Regierung Putin, so falsch das Vorgehen der russischen Behörden gegen die Menschenrechtsorganisation memorial auch sind, ein neuer Kalter Krieg, ausgetragen auf europäischem Boden, hilft niemandem.
Es braucht eine neue europäische Entspannungspolitik. Und die gilt für beide Seiten. Die Nato muss ihre Provokationen gegenüber Russland ebenso einstellen, wie Russland die friedliche Entwicklung seiner Nachbarn garantieren muss. Die Mittel dafür liegen in der Diplomatie und im Dialog. Nutzen wir sie.
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