Ruhe in Frieden, Lehman Brothers: Wo stehen wir 10 Jahre nach der Finanzkrise?
Nächste Woche, am 15. September, jährt sich der Bankrott der US Investmentbank Lehman Brothers zum zehnten Mal. Die Bank war stark in das Verbriefungsgeschäft von Hypothekardarlehen verstrickt. Das Platzen der US Immobilienblase zog der Zockerbank den Boden unter den Füßen weg. Mit ihrem Niedergang wurde der Beginn der schlimmsten Wirtschaftskrise seit der Großen Depression der 1930 Jahre eingeläutet. Es dauerte nicht lange, bis die wirtschaftlichen Turbulenzen ihren Weg über den Atlantik nach Europa fanden. Nur 11 Tage danach, also am 26. September 2008, wurde ein Krisenstab in Deutschland einberufen, um die Pleite der HRE (Hypo Real Estate) abzuwenden. Gute zwei Wochen später beschließt die Bundesregierung angesichts der sich ausbreitenden Panik ein Bankrettungspaket in Höhe von 480 Milliarden Euro, in der Hoffnung den totalen Kollaps der Wirtschaft abzuwenden.
Der europaweit einsetzende Konjunktureinbruch und die steigenden Staatsschulden drängten einige Länder innerhalb der Europäischen Union an den Rand eines Staatsbankrotts. Der Weg für die Eurokrise war geebnet. Ihre Folgen haben bis heute sichtbare Wunden in Gesellschaften und Staaten gerissen, siehe Griechenland.
Und heute, zehn Jahre danach? Steht unser Finanzsystem auf solideren Beinen als damals? Haben wir die notwendigen Lehren aus der Lehman Pleite gezogen oder steuern wir bereits auf die nächste Krise zu? Diesen Fragen widmete sich eine von meinen Kollegen der Linksfraktion im Europäischen Parlament und mir veranstaltete Konferenz am vorgestrigen Dienstag, dem 4. September.
Den Anfang gestalteten Christian Stiefmüller vom Brüsseler Think Tank Finance Watch, und Marcus Stanley von der zivilgesellschaftlichen Organisation Americans for Financial Reform. Beide Diskutanten gestanden ein, dass es vor allem in den Jahren direkt nach der Krise Bemühungen gab, das Finanzsystem nachhaltig zu reformieren. So wurde beispielsweise in den USA in 2010 der Dodd-Frank Act verabschiedet und die Kommission legte noch im Januar 2014 einen Gesetzesvorschlag zur Restrukturierung des Bankensektors vor. Leider verliefen die Bemühungen jedoch meistens halbherzig oder im Sand. Wichtige Teile von Dodd-Frank wurden etwa dieses Frühjahr von Präsident Trump außer Kraft gesetzt und die Kommission hat im Sommer den Vorschlag zur Bankenrestrukturierung zurückgezogen. Zu groß sei der Einfluss der Finanzindustrie auf die Gesetzgebung, zu intensiv der Austausch zwischen Mitarbeitern von Banken und Fonds und Politik, so Stanley und Stiefmüller. Die nüchterne Bilanz: viele Erkenntnisse haben die Entscheidungsträger nicht mitgenommen und das Wenige, das umgesetzt wurde, wird gerade wieder abgebaut.
Und auch Professor Steve Keen von der Kingston University London, Diskutant auf dem zweiten Podium, konnte mit keinem positiven Ausblick auf die kommenden Jahre aufwarten. Die Verschuldung des Privatsektors in Staaten wie den USA, Australien und dem Vereinigten Königreich erreiche instabile Ausmaße und Kredite machten einen zu großen Teil der gesamtwirtschaftlichen Nachfrage aus. Es sei nur eine Frage der Zeit, bis diese Entwicklungen zu einem Zusammenbruch der Wirtschaft führen werde.
So ernüchternd die Analysen unserer Diskutanten auch gewesen sein mögen, sind sie doch auch Ansporn, sich noch stärker für linke Politik einzusetzen. Eine Politik, die nicht vor den Interessen der Großindustrie in die Knie geht, aber sich für das Gros der Gesellschaft einsetzt.
Die Veranstaltung kann hier nochmal angesehen werden. Die Folien von Professor Keen und Herrn Stiefmüller können hier und hier heruntergeladen werden.
Einen guten Überblick über die Regulierung des Banken- und Finanzsektors seit der Lehman Pleite liefert außerdem diese Broschüre von Axel Troost und Rainald Ötsch.
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