“Mehr Mitbestimmung”

Interview in der Sonderausgabe des Parlamentsreport Thüringen

Vor kurzem besuchten der Geschäftsführer der IG Metall Erfurt/Nordhausen, Bernd Spitzbarth, und der Betriebsratsvorsitzende des Siemens-Werks Erfurt, Mario in der Au, die europäische Linksfraktion in Brüssel. Worum ging es?

Wir haben Bernd Spitzbarth und Mario in der Au eingeladen, damit sie in der Linksfraktion im Europaparlament über die Situation im Erfurter Siemens-Werk berichten. Obwohl der Betrieb profitabel ist, diskutiert der Konzern Schließung und Massenentlassungen. Die beiden haben den Abgeordneten von ihrem Arbeitskampf berichtet. Sie haben dort aus den verschiedenen Ländern, zum Beispiel aus Portugal, Griechenland und den Niederlanden, große Solidarität erfahren.

Massenentlassungen trotz sprudelnder Gewinne, Betriebsverlagerungen oder Firmenschließungen sind überall in Europa ein Problem. Welche Möglichkeiten hat die europäische Politik, um Beschäftigten besser zu schützen?

Der Fall Siemens ist kein rein deutsches Problem. Siemens ist ein weltweit agierender Großkonzern – einer der mächtigsten. Sie haben 340.000 Angestellte weltweit und im letzten Jahr einen Rekordgewinn erwirtschaftet. Dennoch hat der Konzern beschlossen, Arbeitsplätze vor allem in Europa – hier etwa 4.300 – abzubauen, um den Profit weiter zu steigern. In Europa sind davon vor allem Deutschland und die Niederlande betroffen.

Welche Möglichkeiten haben wir, darauf Einfluß zu nehmen?

Zu allererst müssen wir Druck auf den Konzern erzeugen. Wir haben zum Beispiel beantragt, dass sich das Plenum des Europaparlaments damit befasst und das Thema auf die Tagesordnung setzt. Ich habe den Antrag vor vollbesetztem Parlament begründet. Wäre unser Vorschlag angenommen worden, hätten die europäische Kommission und der Rat eine Stellungnahme zu den angekündigten Massenentlassungen abgeben müssen. Doch leider hat die Mehrheit knapp gegen uns gestimmt. Aber das war eine erste wichtige Aktion, um Öffentlichkeit zu schaffen. Zweitens müssen wir über politische Inhalte nachdenken. Wir wollen eine Initiative für zwei Kernforderungen in Gang zu setzen. Erstens: Massenentlassungen bei profitablen Unter- „Mehr Mitbestimmung!“ über europäische Solidarität für die Erfurter Siemens-Beschäftigten aus Europa und die Forderungen nach mehr Mitbestimmung. nehmen gesetzlich zu untersagen. Und zweitens wollen wir Unternehmen, die über Jahre öffentliche Fördergelder bekommen haben, wie zum Beispiel Siemens, dazu zwingen, dass sie bei Massenentlassungen trotz Profit die erhaltenen Fördergelder zurückzahlen müssen.

Mitbestimmung wird von Gewerkschaften als wichtiges Instrument genannt, um Arbeit sozialer zu gestalten und Kündigungen und Werkschließungen zu behindern. Wie ist der Stand in Europa?

Die deutsche Arbeitnehmer-Mitbestimmung gilt vielen in Europa als exemplarisch. Es gibt viele Nachfragen, wie das Modell in andere Länder übertragen werden könnte. Das obliegt natürlich den Nationalstaaten. Aber wir müssen bei gewerkschaftlicher Mitbestimmung und dem Ausbau der Rechte der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer noch viel weitergehen, als bisher. Der Angriff läuft auf großer Linie. Denn Siemens ist ja nicht der einzige Konzern, der so agiert. Überall finden massive Umstrukturierungen statt, die tausende Arbeitsplätze kosten. Was wir brauchen sind transnationale Gewerkschaftsstrategien, die wir den Konzernstrategien entgegen setzen. Dafür müssen Leute miteinander reden. Als LINKE im Europaparlament versuchen wir, unseren Teil dazu beizutragen, dass der Dialog stattfindet und entsprechende Initiativen angestoßen werden. Wir erleben ja nicht nur einen Angriff der ökonomischen Eliten. Wir sehen zum Beispiel in Frankreich auch einen Angriff der politischen Eliten auf Arbeiternehmer-Rechte. Ein Argument ist dabei immer die deutsche Niedrigkosten-Politik, wo die Löhne im Vergleich zur Produktivität nicht ausreichend gestiegen sind – die Real-Löhne also sogar gesunken sind. So wird auch Kostendruck auf andere Länder ausgeübt, die durch Kürzungen und den Abbau von Rechten der Arbeiternehmer dem Stand zu halten versuchen. Unsere Aufgabe als deutsche Linke in Europa ist, die Lohnpolitik in Deutschland umzudrehen – also die Gewerkschaften hier zu stärken. Damit erleichtert man auch gewerkschaftliche Kämpfe in anderen Ländern.

Die komplette Ausgabe: http://www.die-linke-thl.de/fileadmin/lv/dokumente/parlamentsreport/2018/Sonderausgabe-1-Mai/Paramentsreport_1Mai.pdf