Kommission: Für eine Neuausrichtung der EU-Finanzpolitik

Zur heutigen Ankündigung der Europäischen Kommission bezüglich der lediglich bis Ende 2022 fortgesetzten Aktivierung der Ausweichklausel des Stabilitäts- und Wachstumspaktes erklärt Martin Schirdewan, Fraktionsvorsitzender der Linksfraktion im Europäischen Parlament und Mitglied im Wirtschafts- und Währungsausschuss:

Die Mitgliedsstaaten müssen weiterhin die Freiheit haben, von den Haushaltsregeln des EU-Stabilitäts- und Wachstumspaktes abweichen zu können. Das steht vollkommen außer Frage! Die Ausweichklausel muss über 2022 hinweg aktiviert bleiben. Ansonsten würden Schuldenbremse und Defizitverfahren noch mitten in der Krise greifen und zu einer selbstzerstörerischen Sparpolitik führen. Die Hoffnung auf eine baldige wirtschaftliche Erholung wäre dahin! Das zeigt uns jedoch das eigentliche Problem: in der EU kann nur mit Ausnahmen zum Stabilitätspakt vernünftig Finanzpolitik gemacht werden!

Das dogmatische Festhalten an den EU-Haushaltsregeln muss endlich überwunden werden. Die überholten sparpolitischen Vorstellungen entstammten dem späten 20. Jahrhundert. Wir leben jedoch mittlerweile in anderen Zeiten! Die Finanzierungsbedingungen waren noch nie so günstig. Die Zentralbank ruft nach einer aktiveren Finanzpolitik, da die Zinspolitik an ihre Grenzen kommt. Die Digitalisierung, der Klimawandel und die soziale Ungleichheit verlangen nach einer massiven Investitionsoffensive.

Selbst konservative Institutionen wie die OECD haben es eingesehen. Sie rufen nach einer Reform der EU-Haushaltsregeln bevor es zu einer Deaktivierung der Ausweichklausel kommt. Die Dinosaurier der Bundesregierung gehören jedoch zu denjenigen, welche die Zeichen der Zeit noch nicht erkannt haben. Sie halten an der Spar-Ideologie fest und blockieren den politischen Fortschritt!

Wir müssen die Schuldenbremsen endlich hinter uns lassen und über die Ausweichklausel hinausgehen. Wir brauchen eine aktive Finanzpolitik zur Förderung einer zukunftsfähigen Industrie sowie digitaler und sozialer Teilhabe! Kurzum wir brauchen eine Neuausrichtung der Finanzpolitik in der EU – eine Finanzpolitik fürs 21. Jahrhundert!