EU-Schuldenregeln: Kommissionsvorschlag bevorzugt Geldgeber über Bevölkerung

Martin Schirdewan, Ko-Vorsitzender der Linksfraktion THE LEFT im Europäischen Parlament, erklärt zur heutigen Mitteilung der Europäischen Kommission über eine Reform der EU-Fiskalregeln, die ab 2024 gelten soll:

„Die EU-Schuldenregeln müssen einem ernsthaften Realitäts-Check unterzogen werden. Die Kommission gibt sich jedoch lieber finanzpolitischen Fantasie- und Herrschaftsvorstellungen hin. Sie hält weiterhin an den Grenzwerten von 60 Prozent für die Staatsschuldenquote und drei Prozent für das Haushaltsdefizit fest. Diese Grenzen sind völlig willkürlich, ohne klare wirtschaftswissenschaftliche Grundlage, und für viele EU-Länder schlichtweg nicht erreichbar.“ 

„Der Kommissionsvorschlag erinnert an eine Politik von Zuckerbrot und Peitsche. Während das Zuckerbrot allerdings eher Krümeln gleicht, wird die Peitsche mit voller Wucht geschwungen. Gemessen an den unsinnigen Grenzwerten, soll für jedes EU-Land ein eigener maßgeschneiderter Weg zum Schuldenabbau verhandelt werden. Wenn jedoch ein Land vom Weg abweicht, droht dem Land der Schuldenpranger mit verschärften Kontrollen und Strafen.“

„EU-Länder sollen mit der Angst vor rufschädigenden Disziplinarmaßnahmen, Kürzungen von EU-Geldern oder effektiveren Geldstrafen unter Druck gesetzt werden. Dabei macht es wenig Sinn, Ländern die bereits hochverschuldet sind, noch zusätzlich durch Strafen finanziell zu belasten.“

„Der Vorschlag mag den reichen Geldgebern auf den internationalen Finanzmärkten gefallen. Kommunen drohen jedoch durch eine durchgepeitschte Kürzungspolitik kaputt gespart zu werden. Für Rentner:innen bedeutet es Altersarmut und für Beschäftigte im öffentlichen Dienst Job- oder Gehaltskürzungen. Für Menschen, die staatliche Unterstützung und Leistungen brauchen, kann es existenzbedrohend sein.“

„Wir brauchen Investitionen für moderne Grundschulen und Windkraftanlagen. Wir müssen soziale Schieflagen und Armut beseitigen können. Wir brauchen flexible Konjunktur- und Hilfsprogramme, um die Krisen unserer Zeit zu meistern.“

„Die Ironie der Geschichte bleibt, dass Schuldenabbau gepredigt wird, während gleichzeitig unfassbare Milliardenbeträge für Kriegsausrüstung ausgeben werden.“