Automobilkonzerne sponsern Ratspräsidentschaft
Dass die EU-Institutionen ein Lobbyproblem haben, ist gemein hin bekannt. Zehntausende Lobbyisten versuchen Tag ein Tag aus, Einfluss auf die Brüsseler Gesetzgebung zu nehmen. Nach Washington ist Brüssel mittlerweile zur zweitgrößten Anlaufstelle für Lobbyisten geworden. Schätzungen gehen davon aus, dass die Lobbymaschinerie jährlich circa 1,5 Milliarden Euro in ihre Tätigkeiten investiert.
Eine neue Studie der lobby-kritischen NGO Corporate Europe Observatory zeichnet nun detailliert nach, wie groß der Einfluss mancher Konzerne auf Mitgliedstaaten und deren Vertreter und somit auf die europäische Gesetzgebung ist.
Wussten Sie beispielsweise, dass sowohl Mercedes, als auch Audi, Porsche und BMW der halbjährlich wechselnden Ratspräsidentschaft über die letzten Jahre hinweg gratis Fahrzeuge zur Verfügung gestellt haben? Und das in Zeiträumen, in denen über Vorgaben zum Schadstoffausstoß von Fahrzeugen verhandelt wurde. In der Wirtschaft wird das dann gemeinhin Sponsoring genannt, was für Unternehmen noch den Vorteil beinhaltet, die Ausgaben als Werbungskosten abzusetzen.
In der Studie sind auch die erfolgreichen Versuche der deutschen Autoindustrie nachzulesen, neue Regelungen zu Abgastests im praktischen Fahrbetrieb hinauszuzögern. So setzte sich auf Nachdruck des damaligen Präsidenten des Verbands der Automobilindustrie und ehemaligen Bundesverkehrsministers, Matthias Wissmann, Angela Merkel in einem Telefonat mit dem Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker persönlich für die Verzögerung des Vorhabens ein. Gut für die Bosse, schlecht für die Gesundheit der Menschen. Die Bundesregierung verweigerte dann auch den Studienautoren mitzuteilen, wie viele Lobbyisten sie über die letzten Jahre hinweg getroffen hat.
Was der Bundesregierung die Autoindustrie, ist der spanischen Regierung der Telekomriese Telefonica. Dieser kann seit Jahren auf ein enges Verhältnis mit der hohen spanischen Politik setzen. Zusammen mit der Deutschen Telekom und Frankreichs Orange hat Telefonica massiv beim Rat der EU gegen die Abschaffung der Roaminggebühren interveniert. Zwar haben sie das Vorhaben schlussendlich nicht verhindern können. Aber es war vor allem die spanische Verhandlungsseite, die den Kompromiss abschwächen hat konnte.
Egal, ob es um die erneute Zulassung von Glyphosat – vorangetrieben vom Düngerkonzern Monsanto, der vergangenes Jahr vom deutschen Chemieriesen Bayer übernommen wurde – oder um die Verhandlungen von Freihandelsabkommen geht, die kuschligen Bande zwischen Regierungen, EU Beamten und Konzernen sind so verwurzelt, dass sie die Demokratie untergraben.
Hierbei handelt es sich um ernstzunehmende, systematische Probleme. Konzernlobbyisten genießen Zugänge zu den höchsten Rängen der Politik, von denen Zivilgesellschaft und Nichtregierungsorganisationen nur träumen können. Zum Glück hat sich das Bewusstsein in der Bevölkerung über die schädlichen Lobbypraktiken in den letzten Jahren geschärft. Aber es fehlt nach wie vor an einfachen Instrumenten, die der Zivilgesellschaft den Zugang zur EU-Gesetzgebung ermöglicht, beziehungsweise deren Einbindung zulässt. Auch die Transparenz der EU-Institutionen, vor allem des Rates, in Sachen Lobbying lässt noch sehr zu wünschen übrig. Die Zeit für ehrliche Lobbyregister ist überreif.
Die Studie von CEO können Sie hier nachlesen
Die aktuelle Liste der Partner der Ratspräsidentschaft von Rumänien
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